Julius van de Laar im Interview: Krisenkommunikation ist wie ein MRT der Seele

Julius van de Laar ist Kampagnen- und Strategieberater mit langjähriger und internationaler Kampagnenerfahrung. Im US-Wahlkampf 2012 leitete er hauptamtlich als Regional GOTV Director den Bereich Wählermobilisierung für Barack Obama im wahlentscheidenden Staat Ohio. Heute berät er politische Organisationen, NGOs und Unternehmen in der Entwicklung von Kampagnen sowie deren Umsetzung und kommentiert regelmäßig aktuelle politische Geschehnisse für führende Medien. Das Wirtschaftsmagazin Capital zählt van de Laar zu den „40 Top-Nachwuchskräften unter 40 Jahren“ aus dem Politikbereich. 

Anlässlich unserer virtuellen Konferenz #speakforward zum Thema Krisenkommunikation und seinem Vortrag "Campaining during the Corona-Crisis: How to close the Social Distancing Gap with your audience" sprachen wir mit Julius van de Laar. Er zieht spannende Parallelen zwischen dem aktuellen US-Wahlkampf unter Krisenbedingungen und Unternehmensführung in Krisenzeiten.

Wie hat die Corona-Krise den Wahlkampf in den USA beeinflusst?

Julius van de Laar: „Die Krise hat den Wahlkampf auf ganz unterschiedliche Art und Weise beeinflusst. Vor Corona war es so, dass Donald Trump eine boomende Wirtschaft und Rekord-Niedrigarbeitslosenzahlen präsentieren konnte. Er konnte also sagen: Seht her – Amerika funktioniert super. Wenn Ihr wollt, dass es so weitergeht, wählt mich. Aktuell sind die Arbeitslosenzahlen so hoch, wie das letzte Mal während der Great Depression, 80.000 Leute sind gestorben und 1,4 Millionen Menschen erkrankt. Das öffentliche Leben steht in jeglicher Form still. Trumps komplettes Spielfeld wurde aus den Angeln gehoben, die Rahmenbedingungen für den Wahlkampf haben sich grundlegend verändert. Normalerweise gehören zum US-Wahlkampf Großveranstaltungen und Haustür-Besuche, viel Händeschütteln und große Parteitage. Plötzlich gibt es nur noch Zoom-Meetings und alle tragen Masken.“

Wie beeinflusst die Corona-Krise Trumps Image und seine Chancen zur Wiederwahl?

Julius van de Laar: „Die Krise hat ihn definitiv geschwächt. Anfang des Jahres hätte ich, vor dem Hintergrund der guten Konjunkturzahlen, gesagt, dass er definitiv wieder gewählt wird. Außer Jimmy Carter und George H. Bush gab es in den USA keinen Präsidenten, der nicht für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde. Ein Amtsinhaber hat gegen den Herausforderer immer einen systemischen Vorteil. Jetzt aber werden sich die Leute fragen: Hat uns Trump gut durch die Krise navigiert? Das werden sich die Menschen nicht nur als Wähler, sondern auch als Kunden und als Mitarbeiter von Unternehmen fragen. Die Entscheidung wird zu einem Referendum über den Status Quo.“

Wie kann man in Zeiten von Social Distancing Nähe aufbauen, die ja für den US-Wahlkampf – ebenso wie für viele Unternehmen – entscheidend wichtig ist?

Julius van de Laar: „Man muss Nähe taktisch inszenieren. So hat zum Beispiel Joe Biden seinen Keller mit warmem Licht ausgeleuchtet, mit einer Bücherwand und einem Football, sowie seinem Lieblingssessel ausgestattet und in ein TV-Studio umfunktioniert. Das ist ein Paradebeispiel. Trotz Krise wird Wahlkampf gemacht, aber: Gerade in der Krise, wo die Leute zuhause „eingesperrt“ sind, weniger soziale Kontakte haben als üblich, suchen sie Nähe. Hier muss man entsprechende Angebote machen. Joe Biden tut das – Donald Trump tut das auch – mit einer täglichen Pressekonferenz. Wichtig ist aber in Krisenzeiten, dass man die Öffentlichkeit, die man schafft, auch gut nutzt. Man muss sich gut überlegen, was man sagt. Vor allem aber muss man Empathie zeigen und raushören, was die Menschen beschäftigt. Haben sie Angst oder Langeweile, suchen sie eine Perspektive?“

Gelingt das dem Team Trump?

Julius van de Laar: „Er macht immer noch Reality-Show TV, aber er hat den Fokus auf Show und lässt die Realität außer Acht. Man kann keinen Spin machen, um die Pandemie zu überwinden. Die Frage ist: schafft er es, über das Thema Corona hinauszukommen zu einer Entscheidung zwischen Joe Biden und Donald Trump, dass die Menschen sich also fragen, wen sie im Weißen Haus haben wollen, um die Wirtschaft wieder so herzustellen, wie sie vor Corona war.“

Sie haben in der virtuellen Konferenz des EREIGNISHAUS #speakforward gesagt: „Campaign like you govern“ – bitte erläutern Sie das näher.

Julius van de Laar: „Die Arbeitsprobe der Kandidaten kann immer nur sein: Wie wurde der Wahlkampf geführt? Donald Trump hat seine Wahlkampf-Kampagne 2016 genauso geführt, wie er heute regiert. In einer Krise zeigt sich immer der wahre Charakter. Deshalb ist Krisenkommunikation wie ein MRT der Seele. Sehen Sie sich Armin Laschet an, die Deutsche Bundeskanzlerin oder den Lufthansa-Chef Carsten Spohr – wie schlagen die sich? Wenn jemand unter Druck steht, kann man einen Blick in seine Seele werfen. Wenn man gute Zahlen hat, kann man leicht in eine Bundespressekonferenz gehen. In einer Krise muss man beweisen, wer man ist und was man kann. Hier gilt: Das heißeste Feuer macht den härtesten Stahl.“

Was sind Learnings für Unternehmen aus der aktuellen Krise und dem US-Wahlkampf unter Krisenbedingungen?

Julius van de Laar: „Erstens: Wir sind deutlicher agiler und flexibler, als wir immer von uns selbst gedacht haben. Joe Biden hätte nie gedacht, dass er einmal Wahlkampf aus dem Keller machen würde und die Lufthansa konnte sich nie vorstellen, eine Aktionärsversammlung über Zoom zu machen. Zweitens: Wenn man auf eine Krise vorbereitet ist, kann man diese kapitalisieren. Während andere noch sortieren, kann man bereits einen Marktvorteil erarbeiten. Donald Trump hatte diesen – denn er konnte direkt über den Press Room des Weißen Hauses kommunizieren. Joe Biden musste erst seinen Keller umrüsten. Ganz wichtig ist aber drittens: In Krisenzeiten geht es nicht um das Kommunizieren einer Botschaft, sondern um Empathie. Man muss vermitteln: Ich verstehe Euch. Niemand erwartet eine komplette Antwort, aber die Leute wollen gehört werden. Empathie ist eine Gabe. Joe Biden hat sie, Donald Trump nicht. Nicht zuletzt geht es auch, oder gerade in Krisenzeiten immer um Zukunft. Wir können die Vergangenheit redigieren. Die Leute werden sie bei Entscheidungen berücksichtigen. Aber letztendlich wollen sie wissen: Was macht Ihr morgen für mich? Deshalb müssen Führungskräfte weniger rechtfertigen, was passiert ist, und stattdessen den Fokus auf morgen und übermorgen legen. Elections are about the future – das ist ein Zitat von Bill Clinton, das es auf den Punkt bringt.“

Herr van de Laar, herzlichen Dank!

Das Speaker-Profil von Julius van de Laar finden Sie hier. Die Sharenotes von  Andreas Gaertner von #speakforward finden Sie unten. 

Text: Sabine Benzler, geno kom 

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