Im Interview: Nicola Baumann über Stress- und Krisenbewältigung

„Houston, wir haben ein Problem“ – wie Stress und Krisen bestmöglich bewältigt werden

Sie ist ausgebildete Kampfflugzeugpilotin, Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik und Rettungssanitäterin. Nicola Baumann behauptet sich seit vielen Jahren erfolgreich in Bereichen, in denen nicht nur höchste Anforderungen gestellt werden, sondern die gleichzeitig auch noch von Männern dominiert werden. Sie sprach mit uns über Methoden der Stress- und Krisenbewältigung und über wichtige Grundsätze auf dem Weg zum Erfolg.

Frau Baumann, bitte geben Sie uns einmal einen Überblick über Ihren bisherigen beruflichen Lebensweg.

Ich konnte mich als Jugendliche nicht wirklich entscheiden, welchen Weg ich beruflich einschlagen wollte. Ich fand Fliegen und „fliegende Technik“ immer sehr spannend und habe schon als Kind die Piloten bewundert. Deshalb bin ich nach dem Abitur erst einmal zur Bundeswehr gegangen und habe dort eine Ausbildung zur Kampfflugzeugpilotin gemacht. Die Ausbildung dauert drei Jahre, aber man muss sich auch danach immer weiterbilden. Ich durfte beide Kampfflugzeugtypen der Bundeswehr fliegen, den Tornado und auch den Eurofighter. Danach habe ich in den USA von der Bundeswehr aus als Fluglehrerin an einer internationalen Ausbildungsschule unterrichtet. Insgesamt war ich 14 Jahre bei der Bundeswehr. Seit meinem Austritt arbeite ich als Ingenieurin für Luft- und Raumfahrttechnik bei einem deutschen Unternehmen, das Software-Lösungen für den Eurofighter entwickelt. Ich gebe hier die operative Expertise.

War Ihnen, als Sie sich zum Eintritt in die Bundeswehr entschlossen, bewusst, dass Sie sich als Frau auf eine Männerdomäne wagen?

Ehrlich gesagt habe ich mich mit dem Thema damals überhaupt nicht befasst. Ich bin eher im Laufe der Zeit durch meine Umgebung für das Thema sensibilisiert worden, oder besser: mir wurde das Thema von außen aufgezwungen, als Themen wie Diversität und Gleichberechtigung immer stärker in den Fokus rückten. Ich bin der Meinung, dass es hier echte und wichtige Themen gibt, die eine vernünftige Gesetzgebung erfordern, zum Beispiel für Flüchtlinge, Prostituierte oder zum Schutz vor Diskriminierung. Aber es gibt hier auch Themen, die meiner Meinung nach übermäßig viel Aufmerksamkeit erhalten.

Sehen Sie sich als Vorbild?

Nein. Allerdings achte ich schon ab und zu auf meine Außenwirkung. Zum Beispiel habe ich, bevor ich zur Bundeswehr gegangen bin, immer kurze Haare getragen. Nach meinem Eintritt habe ich mir absichtlich die Haare lang wachsen lassen und hatte im Dienst auch fast immer eine Handtasche dabei. Ich habe mich auch immer gerne für die weiblichen Uniformen mit Rock und hohen Schuhen entschieden. Ich entspreche Stereotypen einfach nicht so gerne.

Wie sind Sie zur Raumfahrt gekommen?

Ich habe 2016 an einer Art „Schnupperprogramm“ teilgenommen. Damals gab es eine Kampagne, für die man die erste deutsche weibliche Astronautin suchte, die ins All fliegen sollte. Ich habe hier mehrere Monate mitgemacht und hatte eine sehr spannende Zeit. Ich habe Russisch gelernt und meine Ausbildung zur Rettungs-Sanitäterin beendet. Leider konnte das Programm dann die finanziellen Mittel nicht aufbringen, um zeitnah ins All zu fliegen. Aber ich habe meinen Kindheitstraum, einmal ins All zu fliegen, nicht aufgegeben. Aktuell gibt es wieder ein Programm, für das sich Frauen bewerben können und selbstverständlich werde ich mich wieder der Auswahl stellen. Ich arbeite zudem noch an meiner Hubschrauber-Lizenz, denn ich möchte gerne Rettungshubschrauber fliegen. Im September beginne ich zudem meine Doktorarbeit in Raumfahrtwissenschaft.

Darüber hinaus haben Sie noch ein Baby und sind als Speakerin aktiv. Sie sind also in viele verschiedene Projekte involviert – die ideale Voraussetzung, um Stress und Druck zu empfinden. Ihre Vorträge und Webinare drehen Sich alle rund um das Thema Stress- und Krisenmanagement. Schöpfen Sie hier aus ihren beruflichen Erfahrungen?

Sehr viel. Ich rede generell nur über Dinge, von denen ich viel Ahnung habe. Alles, worüber ich spreche, hat mit meinen Berufen zu tun. Das Thema Stress- und Krisenmanagement ist in der Fliegerei sehr wichtig und wird intensiv geschult. Auch im Rettungsdienst ist man immer wieder in stressigen Situationen. Ich spreche in meinen Vorträgen aus Erfahrung, gebe viele Beispiele und auch Anekdoten aus der Fliegerei und dem Rettungsdienst, um das Thema für die Menschen greifbar zu machen. Bei mir gibt es wenig Text, dafür viele Fotos und Videos. Meine Vorträge dürfen Spaß machen und auch einen Unterhaltungswert haben.

Haben Sie einen grundsätzlichen Tipp oder eine Handlungsempfehlung, wie man Stress bewältigen kann?

Man kann sich auf fast alle Situationen vorbereiten, und zwar so gut, dass einen die 5% unerwarteten Situationen, die noch eintreten können, nicht aus der Bahn werfen. Mit einem Plan kann man Stress auf ein handelbares Niveau absenken. Wir reden hier über bestmögliche Bewältigung. Häufig scheitert man, weil man an sich selbst scheitert und mit dem Druck, den man sich in einer Situation selbst macht, nicht klarkommt. Mit guter Vorbereitung, Plänen für verschiedene Eventualitäten und Übung sind auch schwierige Situationen zu bewältigen.

Was sind oder waren für Sie persönlich Stresssituationen?

Wenn ein Flugzeug plötzlich einen größeren Systemfehler hat, kommt man schon ins Schwitzen. Auch die Astronautinnen-Auswahl war ein Stressfaktor, den ich allerdings vorhersehen und durch meine Vorbereitung abmildern konnte, so dass ich letztendlich an den Tests sogar Spaß hatte. Natürlich kenne ich aber auch die typischen Alltagskrisen, wie zum Beispiel Kundenpräsentationen, die schief laufen oder Stresssituationen im Privaten – mit Baby im Home-Office, wenn das Kind schreit, der Boss redet und der Paketbote klingelt.

Man kann sicherlich mit Recht sagen, dass Sie erfolgreich sind. Was sind Ihrer Meinung nach die Treiber für Ihren Erfolg?

Das Problem an Erfolg ist, dass wir gerade heutzutage gerne wahrnehmen, dass Menschen sozusagen über Nacht erfolgreich werden. Wenn uns das selbst nicht gelingt, sind wir frustriert und denken, wir seien auf dem falschen Weg. Tatsächlich aber werden Menschen nicht über Nacht erfolgreich, sondern haben im Hintergrund hart und lange dafür gearbeitet. Deshalb ist Erfolg die Summe der Dinge, die wir jeden Tag tun. Ganz selten ist Erfolg der große Sprung. Das heißt, man muss dranbleiben und durchhalten, mit Disziplin und Zielstrebigkeit. Dann kommt irgendwann die Gelegenheit – das Quäntchen Glück, das einem zum Erfolg verhilft. So eine Tür geht nicht nur einmal im Leben auf, sondern meistens mehrfach. Deshalb darf man sich, wenn man beim ersten Versucht scheitert, zum Beispiel nicht ins All fliegen darf, nicht zu viel Druck machen. Vor allem aber darf man den Mut nicht verlieren.

Frau Baumann, herzlichen Dank!

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